Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte by S G Browne
Autor:S G Browne
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2010-08-02T16:00:00+00:00
KAPITEL 27
Ich kritzle etwas auf meine Tafel, aber so, dass Ted es nicht lesen kann, während ich aus den Augenwinkeln beobachte, wie er mich mit einer Mischung aus Widerwillen und Neugier mustert.
»Wie geht es Ihnen heute, Andrew?«
Ich halte meine Tafel in die Höhe, auf der steht:
Wie geht es Ihnen heute, Andrew?
Er ist so berechenbar.
Ted lacht teilnahmslos. Vielleicht will er mir auch nur seine neuen Zahnkronen zeigen.
⦠zwölf ⦠dreizehn ⦠vierzehn â¦
»Ich habe gehört, dass Sie neulich ein kleines Abenteuer erlebt haben.«
Nicht wirklich, schreibe ich.
»Da haben mir Ihre Eltern aber was anderes erzählt«, sagt er.
Meine Eltern.
Nach der fehlgeschlagenen Busfahrt haben mich meine Eltern zwei Tage bei der SPCA gelassen. Aber das hat mir nichts ausgemacht. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Angestellten dort behandeln mich besser als die meisten Atmer, und so komme ich wenigstens mal aus meinem Weinkeller raus. AuÃerdem gibt es dort ein paar feine Hundeleckerlis.
Ich weiÃ, dass mein Vater mir eine Lektion erteilen wollte, aber das Einzige, was ich dabei gelernt habe, ist, dass er kein Mitgefühl hat. Ich bin eine Beleidigung für seine Sinne und eine Demütigung für seine Gefühle. Ich bin eine gesellschaftliche und finanzielle Last. Es wäre ihm lieber, wenn ich von Maden zerfressen werde, als dass ich glücklich bin.
Wenigstens meine Mutter versucht, mich zu verstehen, nachzuempfinden, was ich durchmache, auch wenn sie mich jedes Mal mit Lufterfrischer vollsprüht und dicke Latexhandschuhe trägt, bevor sie mich berührt.
Jetzt gerade hockt sie drauÃen im Empfangsbereich; vermutlich liest sie das Sunset-Magazin und summt vor sich hin, während mein Vater zu Hause wahrscheinlich mit einem Benzinkanister und einem SchweiÃbrenner auf mich wartet.
»Als Sie den Bus bestiegen haben«, sagt Ted, »hatten Sie da ein bestimmtes Ziel?«
Ich habe meinen Eltern nicht erzählt, dass ich auf dem Weg zu Annie war, denn das hätte bloà noch mehr Probleme heraufbeschworen. Hätte Annies Onkel und ihre Tante womöglich darin bestärkt, sie aus dem Staat zu schaffen. Darum werde ich Ted nicht davon erzählen. Natürlich gibt es die Schweigepflicht, doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass das nicht für Zombies gilt. Für Ted macht es vermutlich keinen Unterschied, ob er meinen Eltern erzählt, wo ich hinfahren wollte, oder ob er sich ein Peeling verpassen lässt.
Ich wollte mich einfach nur normal fühlen, schreibe ich.
»Normal«, sagt Ted und fährt sich mit der Zunge über die Zähne. Ich schaue zur Digitaluhr hoch, auf die roten Ziffern, die Sekunde um Sekunde voranschreiten, und mir wird klar, dass ich jetzt lieber zu Hause wäre, um mir im Country Music Television Trick My Truck anzuschauen.
Ich wische die Tafel ab und schreibe:
Was ist los?
»Was meinen Sie damit, Andrew?«, sagt er und setzt ein gezwungenes Lächeln auf, strahlt mich mit seinen gebleichten Zähnen an.
Ich glaube, er weiÃ, was ich meine.
Warum sind wir hier?
»Meinen Sie das in einem emotionalen, spirituellen oder existenziellen Sinn?«
Was soll das heiÃen?
Nichts. Nur Schweigen. Ich glaube nicht, dass er weiÃ, wovon er redet.
Was tun Sie hier?
»Ich versuche Ihnen zu helfen, Andrew.«
Wie soll mir das helfen?
»Das weià ich nicht«, sagt Ted. »Diese Frage können nur Sie selbst beantworten.«
Es hilft mir nicht.
Keine Reaktion. Nur das Zischen des Lufterfrischers.
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